8.6 Das Motto am Tag des offenen Denkmals 2012 bezog sich auf den Naturstoff "Holz".

Hierdurch wird ein seit Ewigkeiten von den Menschen genutztes und uns allen sehr vertrautes Material zu Recht in den Mittelpunkt gerückt. Unsere Vorfahren kannten das Holz als Feuerungsmaterial seit der Steinzeit, nutzten es als Werkzeug und als Wurfgerät, später als Bauholz für Hütten und Häuser. Irgendwann wurden Möbel, Musikinstrumente und Kunstgegenstände aus Holz gefertigt. Der vielfache Einsatz von Holz ist besonders in Kirchen sichtbar. Hier findet man Holz sowohl als robusten Baustoff in Kirchtürmen, Dachkonstruktionen, Glockenstühlen als auch, weil gut bearbeitbar, in bizarren Schnitzereien von Altären und anderen Ausstattungsstücken. Der Kirchgemeinderat der Pfarrkirche nimmt den „Tag des offenen Denkmals 2012“ zum Anlass, in einer dünnen Broschüre die unterschiedlichsten kleinen und großen aus Holz gefertigten Arbeiten in der Güstrower Pfarrkirche zu beschreiben und sie den Besuchern an diesem Tage als Wegbegleitung zur eigenen Betrachtung an die Hand zu geben. Am “Tag des offenen Denkmals 2012” werden Mitglieder der Pfarrgemeinde Führungen durchführen. 

 

Einige Daten zur Geschichte der Pfarrkirche Sankt Marien zu Güstrow

1308: Die Güstrower Pfarrkirche Sankt Marien wurde erstmals erwähnt.

1503: Beim ersten großen Stadtbrand Güstrows am Peter und Paul-Tag wurde die Kirche zerstört. Der spitze Turm stürzte ein.

1508: Der sofortige Wiederaufbau führte zur erneuten Weihe der Kirche. Der Turm wurde wegen Geldmangels nach dem ersten Brand zunächst als Pyramidendach (siehe Stadtansichten von Vicke Schorler und Caspar Merian), ausgeführt. Zwei weitere Stadtbrände (1508 u.1512) überstand die Kirche ohne Schäden.

1533: In der Pfarrkirche wurde erstmalig evangelisch-lutherisch gepredigt.

1865: Die wegen Geldmangels zunächst pyramidenförmig ausgeführte Turmbedachung wurde durch die barocke Turmhaube ersetzt (Turmhöhe 53 m). 1780: Der Turm erhielt die erste Kupferabdeckung, Hahn und Knopf wurden vergoldet.

1880 bis 1883: Umbau der Kirche nach Plänen und Zeichnungen vom Baurat Daniel (Neustrelitz) durch Landbaumeister Koch (Güstrow) zu der heutigen dreischiffigen Hallenkirche (Kostenaufwand 150.000 M). In den Jahren 2004 bis 2009 wurde die Kirche vollständig renoviert. 

 

Holz in der Bibel

… Er haut Zedern ab und nimmt Kiefern und Eichen und wählt unter den Bäumen des Waldes. Er hatte Fichten gepflanzt und der Regen ließ sie wachsen. (Jesaja, 44,14) … Das gibt den Leuten Brennholz; davon nimmt er und wärmt sich; auch zündet er es an und bäckt Brot; (Jesaja, 44,15) … Er bedeckte die Wände des Hauses innen mit Brettern von Zedernholz. Vom Boden des Hauses bis an die Decke täfelte er es innen mit Holz, und den Boden des Hauses täfelte er mit Brettern von Zypressenholz. (1. Könige, 6,15) und Gott sprach: Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut und fruchtbare Bäume…und es geschah so. (1. Buch Mose, 1. Kapitel) ….der, der sich zu Gott hält ist wie ein fruchtbarer Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit. (Psalm 1) …und er wuchs und wurde breit und grün wie ein Zederbaum auf den Höhen des Libanon. (Psalm 37,5) …und der König Salomo baute Gott ein Haus und Innen war das ganze Haus ausgeschmückt mit dem Holz der Zeder. (1. Kön. 6,18) 

 

Bedeutende Kunstwerke der Pfarrkirche aus Holz

1. Orgel mit der kunstvoll bemalten Wendeltreppe

1370: Der Güstrower Ratsherr Jacob Worpel stiftete die erste Orgel, die bei dem Brand 1503 vernichtet wurde.

1605: Orgelbauer Valentin Christian (Schwerin) erbaute die zweite Orgel, die im 30jährigen Krieg zerstört wurde. Er hatte auch die Orgel für das Doberaner Münster gebaut.

1764: Orgelbauer Paul Schmidt (Rostock), der auch die Orgel der Rostocker Marienkirche schuf, baute die dritte Orgel mit dem noch heute bewundernswerten spätbarocken Orgelprospekt. Im 1.Weltkrieg mussten die Prospektpfeifen abgeliefert werden. Sie wurden1926 wieder ersetzt. 1931 erfolgte ein Neubau der Orgel durch die Firma Sauer (Frankfurt/O) unter Beibehaltung des alten Prospektes. Seit 1971 wird die Orgel durch den Mecklenburger Orgelbau in Plau regelmäßig gewartet. 1975 erfolgte eine erneute Überarbeitung der Orgel. Die Orgel verfügt über 2916 klingende Pfeifen, verteilt auf 3 Manuale und Pedal mit insgesamt 43 Registern. Eine weitere Restaurierung und Modernisierung wurde 2010 abgeschlossen. In der Orgel befinden sich zum Teil hölzerne Pfeifen, Windladen und Steuerungselemente. Bemerkenswert ist die zur Orgelempore führende hölzerne und kunstvoll bemalte Wendeltreppe mitt einer brückenartigen Empore. 

 

2. Strahlenkranzmadonna

Die Darstellung aus dem Jahr 1520 geht auf die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament zurück. Dort wird sie als eine mit der Sonne bekleidet Frau geschildert und " ... der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt." (Off. 12, 1-2). Die Schnitzfigur wird einer Lübecker Werkstatt zugeschrieben und befindet sich vor einer Nische in der südlichen Turmseitenhalle.

3. Triumphkreuzgruppe

Zwischen den beiden ersten Mittelschiffspfeilern erstreckt sich der Balken mit der fünfteiligen Triumphkreuzgruppe. Die monumentale Kreuzigungsdarstellung wurde von einem unbekannten mecklenburgischen Bildhauer überlebensgroß aus Eichenholz geschnitzt und stammt aus dem Jahre 1516. Neben dem Kruzifix und den beiden Trauernden, Maria und Johannes, gehören zu dieser Gruppe Adam und Eva. Das Kreuz ist an den Enden mit Reliefmedaillons versehen, die die vier Evangelistensymbole wiedergeben. Die stilisierten Ranken in Form von spätgotischen Kriechblumen, die das Kreuz umsäumen, versinnbildlichen das Kreuz Christi als Lebensbaum. Ernst Barlach sorgte 1929 für die vollständige Wiederherstellung der Gruppe, deren Kunstwert im 19. Jahrhundert verkannt wurde.

 

4. Pieta

Das älteste erhaltene Kunstwerk der Pfarrkirche ist eine aus Eichenholz geschnitzte Pietá aus dem letzten Drittel des 15.Jahrhunderts. Sie befindet sich auf einem Sockel vor dem südöstlichen Mittelschiffspfeiler.

 

5. Tür zur Sakristei

Der ursprüngliche Standor der Eingangstür befand sich im Zugang zur Kanzeltreppe. An der ehemaligen Eingangstür zur Kanzeltreppe befinden sich schöne Holzintarsienarbeiten: Außenseite Maria mit dem Kinde, Innenseite Martin Luther. Auf der nordöstlichen Seite in Altarnähe befindet sich ein eichenes Gestühl für den das oberbischöfliche Regiment führenden Landesfürsten.

 

6. Altar

1522 wurde der Altar aus der Werkstatt des Brüsseler Meisters Jan Borman errichtet, ein Kunstwerk von europäischem Rang. Auf 13 Feldern mit 181 Figuren wird anschaulich die Passions- und Ostergeschichte Jesu Christi dargestellt. Schließt man die Altarflügel, so werden sechs Tafelgemälde des Raffael-Schülers Bernaert van Orley sichtbar - je zwei Szenen aus dem Leben der Maria und der Hlg. Katharina sowie Petrus und Paulus. Zur Restaurierung und Erhaltung des Altars besteht seit Jahren ein Förderverein.

 

7. Ratsgestühl

1599 wurde das Ratsgestühl von der Kunsttischlerei Michael Meyer im Geschmack der Renaissance aus Eichenholz aufgestellt. Es ist nach wie vor der angestammte Platz für den Bürgermeister und Stadtrat – die Stadt hatte und hat noch das Patronat für diese Kirche.

 

8. Gestühl

Auf den schlichten Sitzbänken aus Nadelholz (Seitenteile sind aus Eiche) von Sankt Marien können insgesamt ca. 600 Besucher Platz finden. Am Nord- und Südeingang befinden sich verzierte hölzerne Windfänge. 

 

9. Die Tür zur Taufkapelle

Vermutlich von einem einheimischen Meister stammt die aus Eichenholz geschnitzte Portalrahmung und -tür zur jetzigen Taufkapelle. Ursprünglich befand sich dieses 1729 im Stile des Barock gearbeitete Portal als Innentür im Nordportal. Die Bildthematik ist dem Alten Testament entnommen. Die beiden seitlichen - als Wächter fungierenden Figuren verkörpern Mose und Aaron. Auf dem Türblatt befinden sind zwei von Akanthusranken gefasste Ovalmedaillons mit Darstellungen der Sintflutgeschichte. Heute wird die Taufkapelle als Raum der Stille genutzt. Wechselnde Ausstelllungen regen zum Nachdenken an.

 

10. Epitaphien aus Holz an der Nord- bzw. Südseite

 für den Superintendenten Gerd Oemcke

 für den Senator Bernhard Hagemeister

 für den Goldschmied Mathes Kreiten

 für die beiden Güstrower Bürgermeister Martin und Johannes Gerdes (Vater und Sohn)

 

 

11. Glockenstuhl

Der Turm ist über zwei unterschiedlich geführte Treppen erreichbar, die auf der Höhe der Glockenstube enden. In der Regel werden die Besucher des Turmes über eine mit Lärchenbohlen ausgelegte Treppe den Turm besteigen. Die Laterne ist über eine Treppe erreichbar, die auf der Ebene der Glockenstube beginnt und an der Türmerwohnung und Uhrenstube vorbei auf die Aussichtsplattform des Turmes führt. Der nach allen vier Seiten freistehende Glockenstuhl ist eine robuste Zimmermannsarbeit. Das für den Glockenstuhl verarbeitete Holz ist wahrscheinlich das älteste in der Pfarrkirche verbaute Holz aus Güstrower Wäldern.