Vor dem Haus 1 in Gutow steht ein Postmeilenstein, dessen noch erkennbare aber nicht mehr lesbare Inschrift nicht wie üblich in Richtung der Landstraße I. Ordnung weist, sondern, um mehr als 90
Grad im Uhrzeigersinn verdreht, nach Osten zeigt. Dies wird nur einem aufmerksamen Beobachter auffallen. Von dem Bewohner des Hauses konnten wir erfahren, dass der Postmeilenstein einst bei der
Verlegung des Gasleitung innerhalb der Ortslage im Wege stand. Um die Leitung gerade verlegen zu können, wurde der Postmeilenstein zeitweilig von seinem Standort entfernt und nach der Verlegung
des Gasrohres auf seinen früheren Platz, nun jedoch oberhalb der Gasleitung, zurückgestellt. Offensichtlich hatten die Leute, die sich an dem Stein zu schaffen machten, keine Ahnung von dessen
Bedeutung für den Postverkehr früherer Jahre und beachteten die Lesbarkeit der Inschrift für vorbeifahrende Gespannführer nicht. Nachdem 1813 die Franzosen Mecklenburg verlassen mussten, wollte
Mecklenburg auch keine preußische Post mehr dulden. 1815 beauftragte der Landesherr Friedrich Franz I. den Ludwigsluster Artilleriehauptmann J. C. H. von Seydewitz mit den Vermessungsarbeiten für
Post- und Frachtstraßen zwischen Städten und Orten des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. In dessen Bekanntmachung vom 30. August 1816 heißt es: “Auf allerhöchsten Befehl von mir gemessene
Entfernungen Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinscher Städte und Örter, die Meile zu 22713,198 Pariser gleich 25236,887 Mecklenburgischen Landmesserfüßen gerechnet. (Eine Postmeile betrug 7,5
km). 1824 fanden erste Verhandlungen zur Errichtung von Kunststraßen (Chausseen) im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust statt. Im Zuge der Straßenbauarbeiten erfolgte auch die
Aufstellung von Meilensteinen in 7,5 Km Entfernung voneinander. Im Gegensatz zu den preußischen Steinen, die rechts der Straßen stehen, befinden sich die Steine in Mecklenburg an der linken
Straßenseite. Hieraus lässt sich schließen, dass der in Gutow (noch) vorhandene Postmeilenstein der erste Meilenstein an der Poststraße von Güstrow nach Goldberg ist. Als der höchste und schönste
Meilenstein seiner Art in Mecklenburg präsentiert sich der auf „Geheiß“ des Großherzogs 1830 errichtete Obelisk an der B 5 in Ludwigslust, dieser diente lange Zeit als Nullpunkt bei den
Vermessungsarbeiten in Mecklenburg-Schwerin. Üblicherweise begann die Straßenvermessung auf dem Marktplatz, den es in Ludwigslust jedoch nicht gab.
Auf diesen Beitrag reagierte mit nachstehender wesentlicher Ergänzung, Herr Olaf Grell, Forschungsgruppe Meilensteine e. V.:
...
1. Es ist richtig, dass umgangssprachlich von Postmeilensteinen die Rede ist. Allerdings wurden Postmeilensteine nur bis etwa 1806 aufgestellt. Wie der Name sagt, erfolgte die Aufstellung der
Meilensteine durch die jeweiligen Postverwaltungen (z. B. in Sachsen und Preußen). Die wohl berühmtesten und prächtigsten Postmeilensteine sind die kursächsischen Postmeilensäulen des
18.Jahrhunderts. Auch deshalb hat sich der Begriff wohl eingeprägt. Nach 1815 änderten sich die Zuständigkeiten und Meilensteine wurden jetzt nur noch im Zusammenhang mit den Bau neuer
Kunststraßen (Chausseen) aufgestellt. Dies geschah nicht mehr durch die Post, sondern durch die jeweiligen Straßenbauverwaltungen (oder in Mecklenburg auch durch private
Chausseebau-Aktiengesellschaften). Deshalb spricht man ab 1815 nur noch von Chausseemeilensteinen. In den mecklenburgischen Herzogtümern wurden nachweislich Meilensteine erst ab etwa 1824
aufgestellt. Somit fallen diese also in die Epoche des Chausseebaus und sie sind damit keine Postmeilensteine mehr, sondern Chausseemeilensteine.
2. In Mecklenburg-Schwerin und auch in Mecklenburg-Strelitz galt in der Zeit der Meilensteinsetzung die preußische Meile als
Entfernungsmaß (1 Meile = 7,53248 km). Insofern wurden die Meilensteine ursprünglich alle in diesem Entfernungsmaß aufgestellt. In Mecklenburg-Schwerin stellte man aber auch zusätzlich noch
Halbmeilensteine auf. Damit standen alle halbe Meile an den Chausseen Meilensteine in der Folge
(Nullpunkt)-Halbmeilenstein-Ganzmeilenstein-Halbmeilenstein-Ganzmeilenstein usw.
3. Ob die Meilensteine an der linken oder rechten Straßenseite aufgestellt wurden, hat nicht mit "Preußen" oder "Mecklenburg" zu tun.
Dies war nur eine rein pragmatische Festlegung, die abhängig von der konstruktiven Gestaltung der Chaussee war. Normalerweise bestand die Chaussee aus zwei Fahrbahnteilen, einem Winterweg (der
speziell befestigt oder gepflastert war) und einem Sommerweg (der aus Sandbestand). Gemäß den Anweisungen zum Chausseebau sollten die Meilensteine auf der Seite des Sommerweges aufgestellt
werden. Ob der Sommerweg nun rechts oder links angelegt wurde, hing mit den örtlichen Gegebenheiten zusammen. Nur zwei Beispiele: an der Chaussee von Ludwigslust nach Lauenburg (Nullpunkt in
Ludwigslust) stehen die Meilensteine noch heute an den originalen Standorten an der linken Straßenseite. An der Chaussee von Ludwigslust nach Schwerin (Nullpunkt in Ludwigslust) und von Schwerin
nach Güstrow (Nullpunkt in Schwerin) dagegen befinden sich die originalen Standorte der Meilensteine an der rechten Straßenseite.
4. Im Zusammenhang mit der Einführung des metrischen Systems in Deutschland gab es Veränderungen an den Meilensteinen. Die Einführung
wurde im Norddeutschen Bund per Gesetz zum 01.01.1872 festgelegt (u. a. wurde erst hier die Meile zu 7,500 km festgelegt) und der vorgezogene Gebrauch bereits zum 01.01.1870 zugelassen. Wiederum
per Gesetz wurde die Meile zum 01.01.1874 abgeschafft. Diese Regelungen hatten zur Folge, dass u.a. die Meilensteine von der bisherigen Meile zu 7,53248 km auf die Meile zu 7,500 km versetzt
wurden. In Mecklenburg-Schwerin wurden danach aber die meisten Meilensteine auf Abstände von 5 Kilometern umgesetzt. Nur an wenigen Straßen blieben sie am originalen Standort
erhalten.
5. Der Nullpunkt ist nicht üblicherweise auf dem Markt. Außerdem wechselten die Nullpunkt im Laufe der Zeit öfter. Für Mecklenburg gibt
es für die Zeit des Chausseebaus zwei wichtige Nullpunkte: einmal in Ludwigslust der sogenannte Hauptmeilenstein vor dem Grabower Tor und für Mecklenburg-Strelitz ein Nullstein in der Mitte des
Marktes in Neustrelitz. Weitere Nullpunkte konnten Stadttore, Postämter, Schlosstürme oder Denkmale sein. Im Zusammenhang mit den Veränderungen (Neuvermessungen) bei der Einführung des metrischen
Systems wurden die Nullpunkte vielfach an wichtige Straßenkreuzungen/-abzweigungen verlegt.
Zu vorgenannten Themen gibt es eine schöne Buchveröffentlichung: Wolf Karge/Dieter Greßmann: „Planen, Pflastern, Asphaltieren … 150
Jahre Straßenbauverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern“, VSVI Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2007.
- Der Meilenstein in Gutow markiert heute die Position "5 km von Güstrow". Als Bezugspunkt dürfte hier tatsächlich die Ecke Markt/Gleviner Straße in Güstrow dienen. Der Stein wurde also nach Einführung des metrischen Systems nach 1872 hierher versetzt. (Olaf Grell , Forschungsgruppe Meilensteine e.V.)
- Der Meilenstein an der B104 am Ortseingang aus Richtung Schwerin ist ein Ganzmeilenstein.
Er steht noch am Originalstandort und markiert die Entfernung "8 Meilen von Schwerin". (Olaf Grell, Forschungsgruppe
Meilensteine e.V.)
Drei weitere uns bekannte Meilensteine müssten noch auf Güstrower Gebiet stehen:
Bei Devwinkel steht ein vermutlicher Ganzmeilenstein (große Rundsäule): B104 zwischen Klueß und
dem Autobahnanschluss Güstrow, nördliche Straßenseite zwischen Bäumen, 1,5 km östlich des Bahnüberganges. Während dieser der Meilenstein
eindeutig der B104 zuzuordnen ist (welcher Nullpunkt/Bezugspunkt hier zutrifft, wäre noch zu klären), gehört der Klueßer Stein zur Chaussee von Güstrow nach
Plau.
- bei Sarmstorf 1 ein Halbmeilenstein: B103 - 1,2 km
südlich von Sarmstorf an der westlichen Straßenseite, 900 m nördlich des Abzweiges nach Lüssow. An dem Stein ist noch die Inschrift "... MEILE" zu erkennen. Auch er wurde ins metrische System
umgesetzt und steht heute 5 km von Güstrow entfernt. 5 Kilometer nördlich dieses Steines steht ein weiterer Meilenstein (Sarmstorf 2.)
(Olaf Grell, Forschungsgruppe Meilensteine e. V.)
Die Forschungsgruppe Meilensteine e. V.
hat sich folgende Ziele gesetzt:
• Erfassung von Geschichte und Gegenwart aller Meilensteine auf den Gebieten der Länder des ehemaligen Norddeutschen
Bundes (von 1871) ausgenommen des Königreiches Sachsen
• Dokumentation des Bestandes
• Förderung der Eintragung in Denkmallisten
• Suche nach einstigen Objekten
• Unterstützung bei Erhaltung und Restaurierung durch Bereitstellung von Informationen und Beratung
• Gestaltung von Ausstellungen
• Publikation von Arbeitsergebnissen
Internet: www.forschungsgruppe-meilensteine.de
Devwinkel
Klueß (Nahe der Gasstätte)
Sarmstorf 1
Sarmstorf 2
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