19. Über Juden in Güstrow

Ab dem Jahre 2015 forschten wir über den der "Apothekerkunst beflissenen" Georg Friedrich Pirscher. In seinem in Güstrow zwischen 1770 und 1778 geführten Stammbuch fanden wir den Eintrag des Güstrower Juden Meyer Löser aus dem Jahre 1774. Die Übersetzung dieses hebräischen Textes war seinerzeit durch die Unterstützung eines in Teterow lebenden evangelischen Pastors und seiner aus Israel stammenden Ehefrau möglich. Damit konnten wir unsere Studien zu dem Stammbuch abschließen und 2016 eine Dokumentation darüber anfertigen.
Durch diese interessante Arbeit wurden wir auf jüdisches Leben in Güstrow aufmerksam.

Zitat: "Die Stadt Güstrow verfügte bereits nach der Erstbesiedlung Mecklenburgs durch Juden über jüdische Einwohner, die an den „Gärten“ im Bereich des heutigen Klosterhofes gewohnt haben und zuvor aus Brandenburg vertrieben worden sein sollen. Wann genau sich diese hier angesiedelt hatten, ist jedoch unbelegt. Es wird vermutet, dass dies schon um 1270 geschah, womit Güstrow zu den ersten Orten in Mecklenburg mit jüdischen Bewohnern gezählt haben dürfte."

Bei unseren Recherchen haben wir auf der WEB-Seite http://www.juden-in-mecklenburg.de vorstehenden und weitere interessante Hinweise 
zum jüdischen Leben in Mecklenburg und Güstrow gefunden. Wir empfehlen den Link zur detaillierten Nachlese zu nutzen. 

Wir fanden heraus, dass e
in Bruder des ersten Güstrower Schutzjuden namens Joseph Jeremias Israel, der aus Frankfurt/Oder stammte, ein Bruder des am Schweriner Hofe ansässigen und angesehenen Petschierstechers und Hofagenten Philipp Aaron war.
Ein Petschierstecher Meyer aus Landsberg an der Warthe, war ein Schwager des genannten Philipp Aaron. Ganz offensichtlich hatte Letzterer seine Beziehungen zum dortigen Fürsten spielen lassen und konnte deshalb zumindest für die Ansiedlung Isaac Aarons und Meyers in Güstrow gesorgt haben. Meyer Löser ist der Güstrower Petschierstecher, der mit Georg Friedrich Pirscher bekannt war und seine Eintragung in das Stammbuch von Georg Friedrich Pirscher vornahm. Diese Zusammenhänge herauszufinden bereiteten uns erhebliche Mühe.

Wir fanden auf der o. g. Internetseite zu Güstrow weiterhin folgenden interessanten Text den wir hier zitieren.
Seit Ende des 18. Jahrhunderts soll für die Gottesdienste der Gemeinde zunächst eine Betstube in einer angemieteten Wohnung auf dem Ratsbauhof in der Baustraße/ Ecke Armesünderstraße genutzt worden sein. Für diese hohen Mitgliedszahlen aber außerordentlich spät, nämlich 1829, wurde dann durch Spenden und einen größeren Nachlass einer Frau Jacobsen eine Synagoge auf dem Grundstück Krönchenhagen 13 errichtet. Wie die meisten anderen Mecklenburger Landstädte auch, erhielt Güstrow um die Mitte des 19. Jahrhunderts, genauer am 3. April 1846, eine landesherrlich verordnete Gemeindeordnung, die den rechtlichen Rahmen innerhalb der Gemeinde bestimmte. Diese enthielt landesweit übliche Regelungen, wie das sogenannte Patronat, ein Amt, das durch den jeweiligen Bürgermeister Güstrows bekleidet wurde. Erstaunlicherweise ist aus der Blütezeit der Güstrower Gemeinde von etwa Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts, derzeit recht wenig bekannt. Obwohl die Gemeinde zunächst klein war und spät startete, entwickelte sie sich zur drittgrößten, zeitweilig sogar neben Schwerin zur zweitgrößten jüdischen Gemeinde im Land. Sie brachte einige bekannten Persönlichkeiten hervor, so Löser Cohen, der als Freiwilliger Jäger an den Napoleonischen Befreiungskriegen teilnahm und darüber später einen viel beachteten Bericht verfasste, Israel Nathan, der mit seinem Testament eine Stiftung zur Unterstützung unbemittelter und in Notlagen befindlicher, ehelicher weiblicher Nachkommen ohne Ansehung der Konfession in die Wege leitete oder der Güstrower Viehhändler August Cohn, der später auch eine Leichenhalle auf dem jüdischen Friedhof stiftete. Nicht zuletzt ist auch Dr. Leopold Donath, neben Tychsen einer der wichtigsten Bewahrer und Überlieferer der jüdischen Geschichte Mecklenburgs, durch sein hiesiges Wirken als Rabbiner mit Güstrow verbunden. Auch der jüdische Gutsbesitzer und Geheime Finanzrat Israel Jacobson wirkte hier, als er nach 1816 von der jüdischen Gemeinde zweitweise zu ihrem Vorsteher gewählt worden war. Güstrower Juden gründeten hier auch Unternehmen, die später Güstrow oder Mecklenburg mitprägten. Isidor und Max Samuel eröffneten in Güstrow ein Schuhgeschäft und eine Gummifabrik für orthopädische Produkte, aus der sie 1909 die Mecklenburger Schuhfabrik bildeten. Nachdem sie 1916 ihren Firmensitz nach Rostock verlegt hatten, entstanden dort daraus später die bekannten EMSA-Werke. Erwähnenswert ist auch die Chemische Fabrik Dr. Ernst Heilmann, die hier 1894 gegründet worden war, und die Bettfedernfabrik Max Oppen (Oppenheimer), die zu einem der größten Arbeitgeber in Güstrow werden sollte."

Nach der Reichskristallnacht am 09.11.1938 wurden 14 Güstrower Juden  iin das Alt-Strelitzer Gefängnis in "Schutzhaft" genommen.
Betroffen waren Männer der Familien Anger, Daltrop, Hallinger, Jacobsohn, Liebmann, Löwenstein, Marcus, Marchand, Meibergen, Schatz und Becker. Sie kamen später wieder frei mit der Auflage, das Deutsche Reich schnellstmöglich zu verlassen. Dieser Aufforderung kamen viele, jedoch nicht alle nach. 

Im Jahr 1942 begannen die landesweiten Deportationen, die auch das Ende der meisten jüdischen Einwohner Güstrows besiegelten.
Bei der Deportation am 10. Juli 1942 wurden zwölf Personen aus Güstrow nach Auschwitz gebracht:
Bertha und Mathilde Frank
Max
und Hertha Jacobsohn, geb. Ehrlich sowie der Sohn Hans Jakobsohn aus erster Ehe,
Lieschen Ehrlich geb. Goldschmidt,
Dora Wittkowski, geb. Rothenburg,
Ella und Liselotte Nathan,
Lydia Becker,
Margot Becker, geb. Wolff und
Anni Fanny Lewinssohn.
Am 11. November 1942 wurden Vera Seelig und Emmy Mitau über Berlin nach Theresienstadt deportiert. Beide starben dort.
Niemand der Genannten kehrte zurück.

Bis Kriegsende lebten dann in Güstrow nur noch zwei Jüdinnen, die in sogenannten privilegierten Mischehen mit „Ariern“ lebten und so zumindest vor einer Deportation geschützt waren. 

Schon zu DDR-Zeiten hat sich der Pastor und Kirchenhistoriker Karl  Heinz Stüber um den jüdischen Friedhof von Güstrow verdient gemacht, da er sich mit dem respektlosen Umgang der Stadt mit dem Restfriedhof nicht zufrieden geben wollte. Vermutlich auch seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass zumindest der Restfriedhof gegen Ende der DDR noch ein würdiges Äußeres bekam. Nach der Wiedervereinigung haben sich vor allem die Regionalhistoriker Wilhelm Mastaler und Thomas Pilz auch mit der jüdischen Geschichte Güstrows beschäftigt.
Heute zeugen neben dem Restfriedhof, einer Gedenkschrift im Gehweg vor dem ehemaligen Synagogengrundstück im Kröchenhagen, zahlreiche Stolpersteine in Güstrow von den ehemaligen jüdischen Einwohnern.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 10.08.2016)