11.5 Die Güstrower Freiwillige Feuerwehr von 1868 bis 1937

Kamerad Horst Lohf, 1993 (3),
überarbeitet und ergänzt von Dieter Kölpien & Gernot Moeller, 2008

Wenn wir heute die Anfänge des Feuerwehrwesens in Güstrow in Erinnerung rufen, so erkennen wir wie schwierig der Beginn seinerzeit war. Drei Jahre gingen ins Land bis der Eingabe des Männer-Turnvereins (M.T.V.) für die Aufstellung einer freiwilligen Turner-Feuerwehr durch den Güstrower Magistrat zugestimmt wurde. Diese Eingabe des Männer-Turnvereins (M.T.V.) ist erhalten geblieben und hat auszugsweise folgenden Inhalt (16) (Siehe auch Anhang): "Es mag uns gestattet sein, einem verehrlichem Magistrat in kurzem die Hauptbedingungen zu einer gut organisierten Feuerwehr darzulegen, Bedingungen, wie wir sie geschöpft haben aus anerkannten Schriften über freiwillige Feuerwehren und aus Statuten schon bestehender Feuerwehren. Die wesentlichsten Momente zur Errichtung einer solchen Feuerwehr sind: 1 .Tüchtige, fähige und geschulte Männer; 2. Geldmittel. Eins bedingt das andere. Wir haben es uns angelegen sein lassen, unseren Turnern vor allem klar zu machen, da ß der Feuerwehrmannsdienst mit weit schwieriger und unweit größerer Verantwortlichkeit begleitet sei, als das gewöhnliche Turnen, daß derselbe die ganze Tat- und Willenskraft jedes Einzelnen erfordere und daß vor allem ein unbedingter Gehorsam und eine nicht den leisesten Widerspruch duldende Unterordnung notwendige Erfordernisse eines Feuerwehrmannes sein müßten, ohne welche die ganze Feuerwehr überhaupt nicht bestehen kann. Disziplin und vollkommene Aufopferungsfähigkeit müßten jeden Eigendünkel und jede Selbstüberschätzung verschwinden lassen." Dem Magistrat fehlte es an Geld, um die technische Ausrüstung bereit stellen zu können. 779 Taler und ein paar Groschen waren erforderlich, um die wichtigsten Geräte anzuschaffen. Der damalige Güstrower Senator Seitz hatte im Sommer 1868 als Magistratsdeputierter den Feuerwehrtag des niedersächsischen Feuerwehrverbandes zu Harburg besucht, um sich über das Wesen einer freiwilligen Feuerwehr zu informieren. Ein umfangreicher Brand in der Großen Schulstraße (seit 1933 Schulstraße) am 20.08.1868, bei dem die gesamte Ostseite der Straße, mit den Häusern Nr. 1 bis 5 und den mit ihnen im Verbund stehenden Häusern 1 bis 3 des Grünen Winkels vernichtete, wurden 20 Familien obdachlos. Ein weiterer Brand in der Feldstraße zerstörte drei Kornspeicher. Unter dem Eindruck dieser Brände beschloss der M.T.V. auf seiner Hauptversammlung, eine Wehr zu gründen. 


Am 11.09.1868 sollte die Struktur der Wehr aufgebaut werden, Riegen- und Rohrführer sowie Steiger gewählt werden. Dieser Termin konnte nicht wahrgenommen werden, weil in den Vormittagsstunden desselben Tages in der Feldstraße / Steinstraße 10 Wohnhäuser vernichtet wurden. Der gemeinsam genutzte Turnplatz des M.T.V. und der Übungsplatz der Turner-Feuerwehr lag damals auf einer Wiese (Nachtigallenberg) hinter dem heutigen John-Brinckman-Gymnasium. Dort befand sich auch ein Steigerturm als Übungseinrichtung der Feuerwehrleute (Steiger) (12). Etwa 50 % aller Feuerwehren in Deutschland entstanden aus Turnvereinen. Handdruckspritzen mit Zubringer, Schlauch- und Gerätewagen und einige Wagenleitern waren 1868 die ersten Löschgeräte der Güstrower Wehr. Rettungsschlauch und Sprungtuch kamen hinzu. Im ersten Güstrower Adressbuch von 1874 findet man folgend Angaben unter dem Eintrag Feuerlöschwesen: 1876 kam es zur organisatorischen Trennung der FF vom Turnverein. Die Freiwillige Feuerwehr ist nun integrierter Bestandteil der städtischen Feuerwehr. Der Eintrag im Adressbuch von 1877 widerspiegelt diese organisatorische Veränderung der Zugehörigkeit. Zur Jahrhundertwende wurden zwei fahrbare mechanische Leitern angeschafft. Zwei einfache und eine pferdebespannte Handdruckspritze kamen hinzu, um auch den städtischen Gütern und den umliegenden Dörfern Hilfe leisten zu können.Druckwasserleitungen gab es damals auch in Güstrow noch nicht. Brunnen, Stadtgraben und die Nebel waren die einzigen ergiebigen Löschwasserentnahmestellen der Stadt Güstrow. Der Kraft- und Zeitaufwand, um das Wasser an die Brandstellen zu bringen, machte manchen schnellen Erfolg zunichte. Alarmiert wurden die Wehrmänner und somit die ganze Stadt noch bis 1920 durch den Türmer der Pfarrkirche, der die Glocke läutete und die Feuerhörner und Knarren der Nachtwächter. 1892 wurde die erste Stadtfernsprecheinrichtung mit 29 Telefonen in Güstrow in Betrieb genommen. Die Teilnehmer am städtischen Fernsprechverkehr mussten die Feuermeldungen von ihren Anschlüssen gestatten. Zwischen dem Turm der Pfarrkirche und dem Zimmer der Nachwache im Rathaus und dem Spritzenhaus in der Baustraße 3-5 wurde eine Telefonleitung eingerichtet. 1913 wurde die Alarmierung durch das Posttelefon eingeführt. Im Jahre 1914 stellte ein Güstrower Bürger seinen Lastkraftwagen für schnelle Überlandhilfe zur Verfügung. Dieses Auto kam viermal zum Einsatz. Der I. Weltkrieg begann, der Wagen wurde requiriert und die Feuerwehr spannte die Pferde wieder an. Erst 1921 erhielt die Feuerwehr wieder ein Motorfahrzeug. Die Automobilspritze konnte 1000 Liter Löschwasser in der Minute fördern. Langsam und stetig wurde so die technische Ausrüstung für damalige Verhältnisse auf ein hohes Niveau gebracht. Inzwischen war die vorwiegend aus Holzhäusern entstandene Siedlung Dettmannsdorf so umfangreich geworden, dass dort die Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr am 27.01.1922 erfolgte, die der Güstrower Wehr als Abteilung Dettmannsdorf angegliedert wurde. Ein (heute noch erkennbares) kleines Spritzenhaus wurde Am Brink errichtet, in dem die handbetriebene Spritze untergebracht war, die einst die Güstrower Wehr einsetzte. Am Anfang des Waldes wurde ein Steigerturm errichtet, an dem eifrig geübt wurde (17). Hauptmann, Obersteiger, Steiger und Mannschaften kamen meist aus der Einwohnerschaft der neuen Dettmannschen Siedlung, deren Bewohner meistens in dem Dettmannschen Holzbetrieb (Türen und Fensterherstellung) in der Neuen Straße arbeiteten. Mit der Bildung des Löschverbandes der Güstrower Freiwilligen Feuerwehr und einiger dem Amt Güstrow angehörende Gemeinden (auch unter der Bezeichnung Motorspritzen-Verband-Güstrow-Land bekannt) kam 1927 eine Kleinmotorspritze mit einer Leistung von 400 Litern pro Minute in den Bestand der städtischen Wehr hinzu. Mittlerweile war aus den hilfsbereiten Turnern eine leistungsstarke Wehr entstanden, die sich sehen lassen konnte, nur ihre grauen Röcke nicht. Das wurde 1928 mit der Anschaffung einer einheitlichen blauen Uniform geändert. Eine alte, 1777 gebaute Spritze, die auf dem Gut Glasewitz stationiert war und durch eine städtische Handspritze ersetzt wurde, sollte 1928 das Altertumsmuseum erhalten. Die straffe reichseinheitliche Organisation nach dem Führerprinzip bewirkte nach dem Vorbild der Provinz Preußen schon seit 1936 die schrittweise Auflösung des Feuerwehr-Verbandswesens mit seinen gewählten Vorständen. Wie andere Landesvorstände wurde auch der Güstrower Vorsitzende des Mecklenburgischen Feuerwehrverbandes Hans Richter, der als Landesvorsitzende sein „Geschäftszimmer“ neben (oder in seinem) Büro als Stadtbaurat und Branddirektor in der Baustraße 3-5 hatte, bereits 1936 zum Mitglied des Deutschen Feuerwehrbeirates ernannt. Damit wurde aus der bisherigen Wahlfunktion eine Führerfunktion, die nach Ermessen der Reichsorgane durch Ernennung besetzt werden konnte. Stadtbauinspektor Hennig (Siehe Foto oben), der von 1936-1938 Stellvertreter des Wehrführers und von 1939-1948 Wehrführer bzw. Wehrleiter war, schreibt in seinen (leider nur technikbezogenen) Erinnerungen zum 100-jährigen Bestehen der Güstrower Freiwilligen Feuerwehr 1968 (3) über diese Zeit: „ Auf Antrag des damaligen Dezernenten für das Feuerlöschwesen der Stadt Güstrow, Stadtrat Wilhelm Bever sen., Buchdruckereibesitzer und Vorsitzender des Mecklenburger Feuerwehrverbandes, wurde 1921 für die Stadt Güstrow eine Automobilspritze angeschafft, es war die zweite in Mecklenburg. Nur die Berufsfeuerwehr in Rostock besaß ein ähnliches Gerät. Da im Stadthaushaltsplan die Mittel nicht eingeplant waren, wurde hierfür ein Kredit von 40 000 M bei der Stadtsparkasse aufgenommen. Die Anschaffung des Löschfahrzeuges fand zunächst nicht den Beifall der Bevölkerung und auch nicht der Tagespresse. Erst der Einsatz des neuen Gerätes bei einigen größeren Bränden u.a. beim Brand der Wollhalle am Wall in der Nacht am 12.03.1925 überzeugte die Einwohner und Reporter von der Notwendigkeit und Richtigkeit der Anschaffung. Auch dauerte es längere Zeit, bis sich die Einwohner an die wenige Jahre später (1925) beschaffte elektrische Feuermelde- und Alarmanlage gewöhnt hatten. Außer den an der Anlage angeschlossenen Feuerwehrkameraden und der Polizei erfuhr die Bevölkerung im Allgemeinen zunächst nichts vom Ausbruch eines Feuers. Das gefiel vielen Einwohnern nicht. Doch bald sahen sie die Zweckmäßigkeit der Anlage ein. Wurden sie doch bei nächtlichen Feuern nicht mehr im Schlaf gestört.“ Zum Stiftungsfest 1929 erhielt die Wehr einen automobilen Mannschafts- und Gerätewagen, der gleichzeitig als Vorspannwagen für die Kleinmotorspritze genutzt werden konnte und mit allen erforderlichen Rettungs- und Hilfsgeräten ausgestattet war. Ein modernes Gerät, welches mit chemischem Schaum zur Bekämpfung von Benzin- und Ölbränden diente, ging 1930 als „Löscher" in den Inventarbestand ein. Bis dahin war das Wasser das alleinige Löschmittel. 1936 wurde ein Luft-Schaumgerät angeschafft, mit dem pro Minute 3000 Liter Luftschaum erzeugt werden konnte. Mit dem KOMET-Strahlrohr stellte man sich auf die zunehmende Motorisierung ein. Neben dem schon vorhandenen Frischluftgerät, dem Rauchhelm und den Gasmasken kam dann noch ein Sauerstoffgerät hinzu.
Alarmierungen der Feuerwehrmänner über "Klingelschleifen" und Feuermelder.
Bis etwa zur Mitte der 1960er Jahre - existierte in Güstrow noch ein Fernmeldenetz der Feuerwehr zur Meldung von Bränden durch die Bevölkerung, über Feuermelder und Alarmierung der Feuerwehr. Diese elektrische Feuermelde- und Alarmanlage wurde schon 1925 errichtet. Rote Feuermelder waren mit der Melder-Zentrale im Rathaus verbunden. Die Anlage wurde im Ruhestromprinzip betrieben. Nach der Betätigung des Druckknopfes, der sich hinter einer dünnen Glasscheibe in den Feuermeldern befand, wurde ein voreingestelltes mechanisches Laufwerk durch Federkraft in Gang gesetzt, welches den Ruhestromkreis entsprechen der Voreinstellung unterbrach. In der Zentrale wurden die Stromunterbrechungen des jeweiligen Feuermelders auf einer uhrähnlichen Anzeigevorrichtung mit einer Zeigereinstellung markiert und so der Standort des aktivierten Melders durch Ablesung der Zeigereinstellung bestimmt. Dier Person die den Feuermelder betätigt hatte sollte auf das Eintreffen eines Polizisten oder der Feuerwehr warten. Die Melder- Zentrale wurde später, mit der Einrichtung des Kommandos Feuerwehr des Volkspolizeikreisamtes in Güstrow, vom Rathaus in die Prahmstraße 16 verlegt und dort bis in die 1950er Jahre weiterhin genutzt. Diese Einrichtung  wurde von der Feuerwehr (ab 1949 von Kamerad Fritz Dankwardt) gewartet. Die mit einer roten wetterfesten Baumwollisolierung umsponnenen Leitungen wurden fast immer unterhalb der Dachrinnen quer durch die Straßen verlegt und waren an roten Isolatoren befestigt. Die Feuerwehrleute wurden über Alarmschleifen (Klingelleitungen) zum Einsatz gerufen. In Güstrow bestanden damals zwei  feuerwehreigene Alarmschleifen.
Die Alarmierung erfolgte durch das Drehen einer Handkurbel an einem Kurbelinduktor,
der zuvor an die entsprechende Klingelschleife angeschlossen werden musste. Von 1925 bis 1949 wurde die Alarmierung vom Nachtwachtbüro im Rathaus und später von der Leitstelle der Feuerwehr in der Prahmstraße 16 betätigt. An einer Klingelschleife waren ca. 25 Klingeln angeschlossen. Bei den Feuerwehrleuten klingelten in deren Wohnungen zur Alarmierung Wechselstromwecker. Diese Form der Alarmierung war einfach, störungssicher und wirksam.
Sie wurde bis in die 1990er Jahre genutzt.
Der Mangel an Fernsprechanschlüssen machte diese Technik unentbehrlich für die „stille“ Alarmierung der Einsatzkräfte.
Im Bedarfsfall wurden jedoch die Sirenen des Luftschutzes bzw. später der Zivilverteidigung zu Alarmierung der Kräfte der Feuerwehr mit benutzt.
Heute erfolgt eine Alarmierung der Feuerwehrmannschaften mit Funkempfängern
über 4 Schleifen. Die alte Bezeichnung Schleifen hat sich erhalten, obwohl es keine Alarmierung über Drahtleitungen mehr gibt.