11.7 Die Güstrower Feuerwehr von 1946 bis 1949
Kamerad Horst Lohf, 1993 (3), überarbeitet und ergänzt  Dieter Kölpien & Gernot Moeller, 2008

Anmerkung der Autoren:
Den nachfolgend ausführlich zitierten Text zu dem Ereignis vom 20.05.1946 bei der städtischen Feuerwehr Güstrow fanden die Autoren, in dem Buch „…sie waren noch Schüler“, von Peter Moeller, Herausgeber: Verband Ehemaliger Rostocker Studenten (VERS), 1999 (22). In der Veröffentlichung von Angelika Schmiegelow Powell „Güstrow im 20. Jahrhundert“ (23) befindet sich ebenfalls ein Zeitzeugenbericht von Joachim (Jochen) Rebs über dieses Ereignis. Der zitierte Güstrower Zeitzeuge Joachim Rebs, war ab dem Sommer 1945 (genauere Angaben sind den Autoren z. Z. nicht möglich) bis 20.05.1946, als Feuerwehrmann in der städtischen Feuerwehr Güstrow beschäftigt. Ebenfalls in der Zeit vom 29.08.1945 bis 05.12.1946 war der Zeitzeuge Rolf (genannt Rolli) Kölpin (1928 -2004) als Feuerwehrmann bei der städtischen Feuerwehr tätig.
Den Autoren stand die Tonbandaufzeichnung eines Gespräches vom 03.08.1996 (24) zur Verfügung, welches zwischen dem Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Horst Lohf und dem ehemaligen Kameraden der städtischen Feuerwehr "Rolli" Kölpin, in Anwesenheit des Kameraden der FF Otto Schwanbeck geführt wurde.
Das Gespräch hatte das Ziel, authentische Erkenntnisse über die Anfänge des Aufbaus einer neuen Güstrower Feuerwehr nach dem Zusammenbruch zu sammeln. Die Kameraden Horst Lohf und Otto Schwanbeck waren in der FF Güstrow zu dem Zeitpunkt für die Dokumentation der Feuerwehrgeschichte und Traditionspflege zuständig und sind inzwischen beide verstorben. Auch der Zeitzeuge "Rolli" Kölpin lebt nicht mehr. Wir handeln in Sinne der verstorbenen Feuerwehrleute, indem wir den feuerwehrgeschichtlich wichtigen Inhalt des Gespräches nun hier in diesen Text einfließen lassen.
Im Juni 1945 wurde die Volkspolizei in der Sowjetischen Besatzungszone zunächst als Länderpolizei gegründet. Sie war anfangs nicht für die Feuerwehren zuständig. Die Freiwilligen Feuerwehr in Güstrow unterstand 1945 der Stadtverwaltung.
Die Güstrower städtische Feuerwehr erfüllte Aufgaben im Rahmen des kommunalen Brandschutzes und entwickelte sich buchstäblich aus dem Nichts (3). Der Aufbau der städtischen Feuerwehr erfolgte durch die „alten“ freiwilligen Feuerwehrleute Wilhelm Hennig, Otto Wilken, Willi Wulf und Werner Köhn (24), mit 16 namentlich bekannten jungen Männern, die den Krieg körperlich unbeschadet überstanden hatten bzw. auf Grund ihrer Jugend noch nicht eingezogen worden waren. Willi Wulf, Maschinist und Fahrer der städtischen Feuerwehr, wohnte gegenüber der Feuerwehrunterkunft in der Baustraße. Auch Otto Wilken wohnte in der Nähe der Unterkunft der FF in der Baustraße. Neben einigen alten Schläuchen und anderen Gerätschaften war ein grünes Löschfahrzeug, welches von den Feuerwehrleuten als "grüne Minna" bezeichnet wurde, aus dem früheren Bestand übrig geblieben. Der sowjetische Kommandant in Güstrow bestand auf eine gut funktionierende Feuerwehr in seinem Zuständigkeitsbereich, die der Stadtverwaltung jedoch unmittelbar unterstand. Verantwortlich für die städtische Feuerwehr war auch nach dem Zusammenbruch 1945 Stadtbaudirektor Hennig (22). Dieser hatte weiterhin seinen Arbeitsplatz bei der Stadtverwaltung oberhalb der Garagenräume der Feuerwehr in der Baustraße 4-5. Die Ausbildung wurde von den alten Angehörigen der FF, die wegen ihrer Erfahrungen und ihres Alters von den jungen Kameraden respektvoll geachtet wurden, organisiert. Mit den Neulingen wurden Übungen in den Garagen in der Baustraße 3-5 und auf den Gelände hinter der Kniesenack-Brauerei durchgeführt (24). Damit ein ungehindertes Erreichen der Feuerwehrunterkunft bei Alarm ermöglicht werden konnte, erhielten die Feuerwehrleute weiße Armbinden aus Leinen, auf denen neben der deutschen Aufschrift Feuerwehr auch die russische Übersetzung mit kyrillischen Großbuchstaben ПОЖАРНАЯ - КОММАНДА („Feuerwehrkommando“), der Name und das Geburtsdatum des Feuerwehrmannes vermerkt waren. Außerdem trugen sie einen Stempelabduck der Stadtverwaltung. Bei Feuer in der Nachbarschaft der Standorte der Russen rückten diese auch mit Soldaten zur Hilfe bei der Brandbekämpfung aus. Es waren 1945/1946 16 namentlich bekannte Jugendliche in zwei Gruppen bei der städtischen Feuerwehr eingesetzt, die sich jeweils nach 24 Stunden Dienstzeit abwechselten (22), (24).

Zu den jungen Männern der einen Feuerwehr-Gruppe gehörte der noch zu zitierende Zeitzeuge Joachim Rebs, wie auch Ohland Ohde (1927 – 1949), Klaus Frehse (1927 – 1952), Fritz Reppin (1928 - 1948), Günter Biel (1929 - 1948), Karl-Heinz Köhn (1928 – in Aue verschollen), Manfred Kofahl (1928 – 1952), Karl (Schally) Garbe (1924 -1948) und Werner Waßmann (1928 – 1950) (22). Karl Garbe und Werner Waßmann waren schon 8 Tage zuvor verhaftet worden.
Willy Mense (1925 - 1948) wurde als Kreispolizist mit den genannten aus der Feuerwehr-Gruppe im gleichen Prozess am 11.09.1946 verurteilt, war aber nicht wie diese in der Feuerwehr tätig. Zu der anderen Bereitschafts-Gruppe junger Feuerwehrmänner, die über die Verhaftung ihrer Kameraden in der Nacht vom 20. zum 21.05.1946 durch den Wehrleiter Hennig bei ihrem Dienstantritt am 21.05.1946 morgens informiert wurden, gehörten nach Auskunft des damals 18-jährige Zeitzeugen Rolf (Rolli) Kölpin (24), der Befragte selbst, sowie die Brüder Eduard und Gerhard Schult (sie gingen später in die BRD, von dort in die Fremdenlegion und sollen dort verstorben sein), ferner Rudi Buchholz, Horst Geisler, Lothar Voss, Adolf Klingenberg, Spyrka (Vorname unbekannt), Günter Zehm.Über seinen Dienst bei der städtischen Feuerwehr 1945/1946 in Güstrow nach dem Kriege, berichtete der Zeitzeuge Joachim Rebs 1999 in dem nachstehenden Artikel (22)
„Von den Russen 1946 als „Werwolf“ verhaftet“. Von den Russen 1946 als "Werwolf" verhaftet Joachim REBS, Güstrow, ehemals Schüler der John-Brinckman-Schule Geboren 1928 in Güstrow, besuchte ich dort von 1938-1944 und von 1945-1946 die John-Brinckman-Schule. Wie viele andere Oberschüler zur damaligen Zeit, meldete auch ich mich 1944 freiwillig zum Wehrdienst, wobei es mich zur Marine zog. Bei Kriegsende kam ich in englische Kriegsgefangenschaft. Nach der Entlassung aus der Gefangenschaft kehrte ich nach Güstrow zurück und verdingte mich als Feuerwehrmann bei der Güstrower Feuerwehr. Stadtbaurat Hennig war damals Chef der Güstrower Feuerwehr. Die russische Kommandantur in Güstrow legte Wert auf eine gut funktionierende Feuerwehr. Das ergab Probleme für mich, als der Unterricht an der John-Brinckman-Schule im November 1945 wieder losging, und ich den Dienst bei der Feuerwehr quittieren wollte. Da die Russen mich bei der Feuerwehr nicht gehen lassen wollten, durfte mich die Güstrower Stadtverwaltung auch nicht aus dem Dienst entlassen. Also erschien ich über viele Monate in voller Feuerwehruniform als Schüler in der Schule. Es konnte ja jederzeit brennen. Nachts schliefen wir während der Bereitschaftszeit in einem Schlafsaal im alten Feuerwehrgebäude in der Baustraße in Güstrow. Nach 24 Stunden Bereitschaftszeit hatten wir dann wieder 24 Stunden frei. Die Zeit bei der Feuerwehr schweißte die Bereitschaftsgruppe natürlich zusammen. Wenn irgendwo in Güstrow eine Schlägerei war oder Betrunkene randalierten, rief die Bevölkerung die Feuerwehr. Und sie rief sie auch, wenn Russen daran beteiligt waren. Hier wäre eigentlich die russische Kommandantur zuständig gewesen. Wenn wir mit Blaulicht, Martinshorn und in voller Uniform am Tatort erschienen, ließen sich auch einzelne Russen von uns ins Feuerwehrauto verladen. Wir lieferten sie dann auf der russischen Kommandantur ab, und es gab eigentlich kaum Probleme. Umso erschreckender waren für uns die Ereignisse des 20. Mai 1946. Mitten in der Nacht, als wir während unserer Bereitschaftszeit, wie üblich, im Schlafsaal der Feu-erwehr in der Baustraße schliefen, brüllte ein Russe in gebrochenem Deutsch: "Augen auf'"- "Aufstehen!"- "Anziehen!"Im Saal standen zehn bewaffnete Russen, ich sah in den Mündungslauf einer Kalaschnikow. Das Gebäude war von etwa 30-40 Russen umstellt. Eine Liste mit Namen wurde verlesen. Wir waren alle verhaftet. Ein Dolmetscher stand nicht zur Verfügung. Auf die Frage, warum wir verhaftet wer-den sollten, bekamen wir keine Antwort. Ein NKWD-Offizier, Oberst Karzanow, so ich mich erinnere, führte das Kommando. Wir wurden unter strenger Bewachung zum Gefängnis am Schloßplatz abtransportiert. Als man mich dort fragte, wo ich sei, sagte ich: "Bei der GPU". Darauf bekam ich einen Schlag ins Gesicht, und man sagte mir, daß ich beim NKWD sei. Zusammen mit mir wurden am 20.5.1946 verhaftet: O(h)lant Ohde, Klaus Frehse, Karl-Heinz Köhn, Manfred Kofahl und Willy Mense. Am 16.5.1946 waren bereits Karl Garbe, ebenfalls ein John-Brinckman-Schüler, sowie Werner Waßmann verhaftet worden. Am nächsten Morgen nach unserer Verhaftung wurden von der Sowjetarmee und der deutschen Polizei unsere Wohnungen, bzw. die unserer Eltern, durchsucht. Mein Vater erzählte mir später, daß bei der Hausdurchsuchung auch die Kohlenstapel auf dem Dachboden umgeworfen und durchsucht wurden. Ohne diese Hausdurchsuchung hätten sie von meiner Verhaftung wahrscheinlich überhaupt nichts mitbekommen. Erst drei Jahre später erhielten sie wieder in Lebenszeichen von mir, nämlich einen von mir geschriebenen Brief aus dem Lager Sachsenhausen. Danach riß der Briefkontakt wieder für ein Jahr ab. Den nächsten Brief erhielten sie erst wieder, nachdem ich nach Torgau verlegt worden war. Bei meiner Vernehmung im Untersuchungsgefängnis in Güstrow entgegnete mir der vernehmende Russe auf meine Frage, warum ich keinen Verteidiger bekomme: „Sie brauchen keinen Verteidiger - wir wollen Sie ja verurteilen." Wir alle wurden der illegalen Gruppenbildung angeklagt. Dabei fiel auch das Wort von den "Werwolf"-Gruppen, deren Gründung die Nazis noch kurz vor Kriegsende ausgerufen hätten. Meine Zeit bei der Marine 1944/45 interessierte überhaupt niemand. Danach wurde ich nie gefragt. In Laage, Bützow und anderen Städten wurden, nach heutigen Erkenntnissen, ebenfalls Jugendliche als angebliche "Werwolf"-Gruppenmitglieder von den Russen verhaftet. Während meiner Untersuchungshaft in Güstrow, und selbst während meines Prozesses, habe ich nie einen Dolmetscher oder Verteidiger gehabt. Der Prozess wurde In Russisch und teilweise gebrochenem Deutsch geführt. Am 11.9.1946 wurde ich in Güstrow wegen illegaler Gruppenbildung und Teilnahme an "Werwolf"-Aktionen zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt, wovon ich fünf Jahre abgesessen habe. Die Haftzeit habe ich als einziger der in Güstrow Verhafteten und Verurteilten überlebt. Hermann (Anmerkung der Autoren: Der Vorname „Hermann“ ist hier offensichtlich falsch angegeben, „Manfred“ ist richtig, siehe weiter oben und bei Schmiegelow-Powell (23)) Kofahl ist in Waldheim wahrscheinlich an Gehirnhautentzündung gestorben, Werner Waßmann hat Waldheim ebenfalls nicht überlebt, und alle anderen waren bereits während der Haftzeit in Sachsenhausen ausnahmslos an Tuberkulose verstorben. Karl-Heinz Köhn wurde 1948 aus Sachsenhausen entlassen und ging in den 50er Jahren nach Aue in ein Uranbergwerk. Seitdem ist er verschollen, alle Nachforschungen blieben erfolglos. In der Zeit vom 17.9.1946 bis zum 30.1.1950 war ich in Sachsenhausen inhaftiert, im Speziallager 7. Danach war ich bis zum 25. März 1951 auf der Festung Torgau. In Torgau erlebte ich, wie ein inhaftierter Professor aus Rostock von einem Aufseher die große Treppe hinuntergestoßen wurde. Er war sofort tot. Nach meiner Entlassung aus dem Zuchthaus Torgau verbrachte ich noch vier Monate in der Lungenheilstätte in Waldeck bei Schwaan, um meine Lungentuberkulose auszukurieren (Zitat Ende). (Anmerkung der Autoren: Die Angabe zu den Verhafteten in „Güstrow im 20. Jahrhundert“ (23) enthält auch die Namen Fritz Reppin (1928 -1948), Günter Biel (1929 -1948), die in „...sie waren noch Schüler“ (22) nicht genannt werden.) Am 27.03.1995 bestätigt DER LEITER DER 2. ABTEILUNG DER VERWALTUNG NR. 5, HELFER DES HAUPT-MILITÄRSTAATSANWALTS FÜR REHABILITATION, OBERST DER JUSTIZ L.P. KOPALIN, auf der Grundlage eines Gutachtens zur Archiv-Strafsache Nr. K-506343 von OBER-MILITÄRSTAATSANWALT DER ABTEILUNG FÜR REHABILITIERUNG, OBERST DER JUSTIZ W. A. WOLIN,0020 die Rehabilitierungund vollständige Wiederherstellung der Rechte der 9 deutschen Bürger. (Anmerkung der Autoren: die Daten der Verhaftungen weichen in dem Gutachten von den Angaben des Zeitzeugen Rebs ab.) 

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